Die Karthäuser Um Mitternacht die Glocke wimmert, Von toten Wänden rieselt Kalk. Es stöhnt ein Chor. Ein Lichtlein flimmert Vor einem schwarzen Katafalk. Barfüßig stehn sie auf den Fliesen. Sie singen wie zum Tod verdammt Welch finstrer Gott wird hier gepriesen? Sie singen hier das Totenamt. Das sind die Mönche der Kartause: Die sind schon selber wie verscharrt. Im Schattental sind sie zu Hause. Ihr Herz ist längst zu Stein erstarrt. Nur Gnadenwein noch kann sie wärmen. Sie sind entseelt und ausgeflammt, Die nur für Opferwollust schwärmen - Sie singen hier das Totenamt. Ach, sahn sie nie aus ihren Löchern Den dunklen Wald, den wilden Wein, Den Efeu über Turm und Dächern, Das junge Moos auf altem Stein? Sie sehn nicht Blumen, Korn und Lämmer. Was lebt, ist schon für sie verdammt Sie leben nur im schwarzen Dämmer Sie singen hier das Totenamt. Die all, was lebt und liebt verfluchen Und huldgen nur gestorbnem Christ Die Gott nur in der Asche suchen, Für die das Leben Sünde ist, Die, während Brot quillt aus den Mühlen, Das Land vor Kraft und Leben flammt, In selbst geschlagenen Wunden wühlen, Sie singen hier das Totenamt. Wem wird das Grabgeleit gegeben? Für wen der Trauerkerze Schein? Wer ist denn tot? . . . Natur und Leben! Sie legten‘s in den Sarg hinein. Nun ziehn sie durch die Nacht und singen Vom Übel, das vom Fleische stammt, Bis die Gewölbe sie verschlingen. Sie singen hier das Totenamt. Lasst die Gespenster sich verstecken In ihrem ewigdunklen Bau! Kommt, lasst uns unsre Liebste wecken, Dass sie die erste Sonne schau! Das Herz geht auf, die Sinne schweben. Es brennt der Kuss, das Blut entflammt. Kommt, singen wir vom heißen Leben! Sie singen hier das Totenamt. Kloster Grand-Chartreuse, 1849