Herr Untertan Stolz wie ein Pfau und platt wie eine Wanze! Lakai? Minister? Sagt, was ist der Mann? O nein, in ganzem Glanze, Das ist Herr Untertan! Er kam einst in Gesindestuben Als Wechselbalg ans Licht der Welt. Ein voller Nachttopf war dem Buben Als Taufgeschirr ans Bett gestellt. Er wusste bald, wo flucht, wo lacht man. So kam vom Stall er ins Palais. Dort stand er vor der Tür als Wachtmann In einer strahlenden Livree. Er säuft und lügt, er schwört und speichelt Ganz wie sein Herr, als wär er wer. Er fühlt sich gar vom Tritt geschmeichelt. Bei jeder Rechnung mogelt er. Das Wörtchen Arbeit kann ihn kränken. Er legt sich stets den Staatsrock an Aus Angst, die Leute könnten denken, Er wäre nur ein Arbeitsmann. Er sitzt in allen Staatsorganen. Korrupt, zersetzt er die Nation. Heut braucht man solche Untertanen Wie eine neue Religion. Auch der Lakai hat seine Ehre In Lack und Frack, dass Gott erbarm, Und baut dem Trinkgeldgott Altäre, Die Serviette unterm Arm. Ein Jagdhund, gierig aufs Geschlinge, Macht er auch gern den Henkersknecht. Als Redakteur führt er die Klinge Für gottgegebenes Herrenrecht. Er geifert über jede Schose, Verkehrt in jedem bessren Haus; Und manche seidne Unterhose, Wenn sie auch stinkt, er wäscht sie aus. Als Erzfeind aller Neuerungen Ist ihm der Staatsstreich eine Tat. Die Toga um die Brust geschwungen, Begrüßt er klassisch den Senat. Er ist für jeden Wunsch erhältlich, Ob Zar, ob Bismarck - warum nein? - Er schafft natürlich nur entgeltlich; Und seine Spesen sind nicht klein. Und wer ihm mal ein Petitiönchen Im Namen seines Rechts gebracht, Gleich springt er auf von seinem Thrönchen: Was Recht und Pflicht? Ich bin die Macht!“ Doch wenn du, mit Verlaub zu sagen, Ihm gleich eins auf die Schnauze haust, Fühlt er zum Ritter sich geschlagen. „Mein Herr, ich küsse Ihre Faust!“ Mai 1873